Verbessern Veganer die Welt? Eine Frage, mit der sich der vegan lebende Sänger Tim Bendzko weniger beschäftigt, dafür umso mehr die „taz“, die „Zeit“, die „Brigitte“ und die „New York Times“ – mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen.
Die Berichterstattung der vergangenen Woche zum Thema „vegan“ im Überblick:
Jörn Kabisch philosophiert in der „taz“ über Veganer und kommt zu dem Schluss, dass „ein kindlich-naiver Wechsel zum Gutmenschentum aus Tiersicht für die Katz“ ist. „Bezeichnet man schon allein den Wechsel zum Gemüse als politischen Akt, handelt es sich um einen Boykott, der nur für diejenigen, die es machen, enorme Folgen hat. Aber macht er auch die Welt ein bisschen besser? Nein.“ In Wahrheit sei dadurch die Systemfrage noch nicht mal angekratzt. Wer wirklich etwas verändern wollte, der müsse über den eigenen Tellerand blicken und auch politisch denken.
Elisabeth Raether fragt sich in der „Zeit“, ob vegane Ernährung wirklich besser für die Gesundheit, die Umwelt und die Moral ist. Das Ergebnis ihrer groben Recherchen: „Kein Argument für den Fleischverzicht hält der Überprüfung stand. Mir scheint, das Zeitgemäße am Fleischverzicht ist, dass er auf zusammengegoogelten Gerüchten und überstürzter Empörung beruht. Kein Fleisch essen – es ist ein Slogan, der nicht schadet, aber auch nicht besonders viel bedeutet.“
Was kostet ein Cheeseburger wirklich? Die „New York Times“ hat es mit Blick auf Umwelt- und Gesundheitsfaktoren nachgerechnet, die „Wirtschaftswoche“ hat seine Rechnung übersetzt.
Veganismus als Erlösung
„Es erinnert ein wenig an ein Virus, das immer mehr Menschen befällt. Plötzlich sind Freunde, Nachbarn, Kolleginnen vegan-infiziert, einige leichter, andere schwerer, und bei manchen wird’s am Ende chronisch“, befindet die „Brigitte“. Aus diesem Anlass hat die Frauenzeitschrift zusammengestellt, welche Vorteile die rein pflanzliche Ernährung mit sich bringt und auf welche Nährstoffe man achten sollte.
Außerdem hat die „Brigitte“ den Ernährungspsychologen Christoph Klotter interviewt. Seiner Meinung nach ist vegane Ernährung so „angesagt“, weil „Veganer die moralisch besseren Menschen sind. Veganer sind weniger schuld als andere, die Tiere töten und essen oder deren Produkte nutzen, um zu leben. Um seine Schuld abzutragen opferte man früher den Göttern. Inzwischen hat sich Essen zum ideologischen Krieg entwickelt. Früher kämpfte man um politische Utopien. Heute sucht man Erlösung und Glücksversprechen für den eigenen Körper.“
Bauern verwenden weniger, aber dafür bedenklichere Antibiotika
Laut Nationaler Verzehrstudie sinkt der Fleischkonsum mit steigendem Bildungsniveau und Einkommen. Die Wohlhabenden und die Diplomierten essen am wenigsten Fleisch. In den unteren Schichten werden dagegen am meisten Schnitzel und Wurst verspeist. „Fleisch droht zum Unterschichtsprodukt zu werden“, erklärt Achim Spiller, Professor für Lebensmittelmarketing an der Universität Göttingen, der „Welt“. Der Ruf der Fleischwirtschaft sei schlechter als der von Süßwarenindustrie und Banken, und sogar weniger gut als der des notorisch ungeliebten Chemiesektors.
Der schlechte Ruf kommt nicht von ungefähr: Die auf engstem Raum zusammengepferchten Tiere können oft nur durch den massenhaften Einsatz von Antibiotika überleben. Zwar ist der Antibiotika-Einsatz in Ställen insgesamt laut Statistik rückläufig, doch erhalten die Tiere ausgerechnet für Menschen überlebenswichtige Reserve-Arzneien öfter, berichtet die „Zeit“. Damit wachse die Gefahr, dass die Antibiotika bei Menschen mit schweren Krankheiten nicht mehr anschlagen.
Der Antiobiotikaeinsatz in Ställen ist ein Problem, mit dem sich der Tierarzt Hermann Focke seit mehr als 20 Jahren beschäftigt. Focke sagt: „Das ganze System ist krank.“ Nur die radikale Wende hin zu einer artgerechten Haltung, Fütterung und Züchtung sei die Lösung.
Im Veganblog von PETA wird das neue Tierschutzgesetz vorgestellt, das jetzt in Kraft getreten ist. Die „Verbesserungen“ seien enttäuschend, bilanziert die Tierrechtsorganisation. Es würden Schritte in die richtige Richtung getan, doch es seien sehr zaghafte Schritte. Die großen Missstände blieben bestehen, echter Tierschutz entstehe auch dadurch nicht.
Blutige Anfänge mit Happy End
Fleisch zubereiten ist Pflicht in der Kochausbildung. Für Veganer eine schwere Prüfung. Bei „Spiegel Online“ erzählen die Vegan-Köche Josita Hartanto, Björn Moschinski und Stephan Giannangeli von ihren blutigen Anfängen und wie man Buletten und Döner auch fleischlos hinbekommt. Anschließend verraten sie, wie man klassische Kantinenrezepte in veganer Variante kochen kann.
Die „Westdeutsche Zeitung“ stellt 13 als veganerfreundlich ausgezeichnete Restaurants vor.
Im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ spricht Bestseller-Autor Attila Hildmann darüber, warum er einen Porsche mit Ledersitzen kaufte. Seiner Meinung nach ist die Schwarz-Weiß-Malerei in der veganen Szene sehr prägnant. Mittlerweile provoziere er „auch ein bisschen kalkuliert. Um klarzustellen, dass die Normalbevölkerung, die jeden Tag ihr Supermarktschnitzel isst, dem Veganer nicht zu sagen braucht, dass der kein schnelles Auto fahren darf. Ich will auch zeigen, dass Veganer nicht mehr nur mit Birkenstocksandalen demonstrieren gehen. Ich passe nicht in dieses stereotype Bild.“
Auch Sänger Tim Bendzko berichtet in der „Schrot & Korn“ von seinen Erfolgen mit veganer Ernährung: „Schon nach einer Woche stellte sich eine krasse Verbesserung ein: Ich war fast nicht mehr müde und musste mich beinahe zwingen, schlafen zu gehen.“ Für ihn bedeutet vegan essen keinen Verzicht, im Gegenteil, es mache sogar Spaß: „Ich habe angefangen zu kochen, mich mit Essen zu beschäftigen. Und ich habe viele neue Lebensmittel kennengelernt: 90 Prozent der Sachen, die ich jetzt esse, kannte ich vor einem Jahr noch nicht!“
Vegane Handtaschen und lederfreie Schuhe
Die prominente britische Designerin and PETA-Unterstützerin Meg Mathwes hat mit dem High Fashion Label Wilby zusammen vegane Handtaschen entworfen. Der „Veganblog“ von PETA stellt deshalb sieben Handtaschen vor, die kein Leder oder andere tierische Produkte beinhalten und das „PETA-Approved Vegan”-Logo tragen.
Anlässlich der Schuh-Fachmesse GDS stellt die „WAZ“ das Schweizer Newcomer-Label „The No Animal Brand“ vor, das Schuhe, Taschen, Kleidung und Accessoires ohne tierische Produkte herstellt.
Gesunde Chips, grüne Smoothies und Tofu-Nugges
Der Radiosender „HR1“ berichtet vom Trend zu Gemüsechips, interviewt mit Aryan Moghaddam einen Erfinder der veganen Chips und fragt, ob seine gesunden Chips auch so gut schmecken wie das fettige Original.
Auch grüne Säfte und Smoothies sind im Trend. Die „Vogue“ stellt fünf Anbieter aus München und Berlin vor.
Auf dem Oktoberfest gibt es in diesem Jahr auch veganes Essen, berichtet der „Stern“.
Nach dem Gammelfeischskandal in China, ersetzt der Fast Food-Konzern McDonalds in Japan seine Hühnchen in den McNuggets durch Tofu.
Der Beitrag „Wer wirklich etwas verändern will, muss über den eigenen Tellerrand blicken“ erschien zuerst auf bee vegan.